Gefleckter Schierling

 

Der Schierling gehört zu den giftigsten einheimischen Pflanzenarten. Sein in allen Teilen vorhandener Wirkstoff ist das Coniin, das für den Erwachsenen in einer Dosis von 0,5 bis 1 g tödlich ist.

 

Die Vergiftung äußert sich durch Brechreiz, Verlust des Sprech- und Schluckvermögens und Muskelkrämpfe, bis schließlich durch Atemlähmung der Tod eintritt. Vergiftungen können vor allem durch die Verwechslung mit ähnlich aussehenden Doldengewächsen, etwa dem sehr ähnlichen Wiesen-Kerbel oder der Petersilie, auftreten. Der starke Mäusegeruch, die geteilten Blätter und die rötlichen Flecken der zudem bereiften Sprosse sind jedoch ein klares Unterscheidungsmerkmal.

 

Im Altertum kannte man die Pflanze nicht nur als Gift, sondern auch als Heilkraut und auch im Mittelalter wurde sie verwendet, allerdings ist Vieles an Wissen darüber verloren gegangen. Man sollte deswegen niemandem raten mit Schierling zu experimentieren, denn die Folgen können sehr schnell „tödlich“ enden.

 

Achtung!!!

Äußerlich (Vorsicht, das Coniin wird auch über die Haut aufgenommen!) wurde Schierling als schmerzlinderndes, entzündungshemmendes und erweichendes Mittel verschrieben. In Salben auf Drüsen aufgetragen hemmt es die Drüsentätigkeit und diente als Abstillmittel für Mütter.

 

Innerlich (Finger weg!) steigert er Ausscheidungen, entwässert und beruhigt. Schierling wirkt krampflösend auch bei Keuchhusten, Asthma, Krämpfen im Verdauungstrackt, der Blase und bei Epilepsie. In der Homöopathie verwendet man Schierling gegen Schwindelanfälle, gegen Husten verschiedener Ursache und zur Abschwellung der Drüsen. Eine Behandlung sollte man dem Arzt überlassen! Bei Hieronymus Bock lesen wir: "Das böß gifftig Schirlingskraut / soll umb seiner grossen kält willen (Giftigkeit) inn leib nit genommen noch gegeben werden / Eusserlich ist es wol zu brauchen inn vilen presten / gehört zu den keuschen Ordensleuten / damit sie ihr gelübd ... mögen halte" und an anderer Stelle: "Düchlein im safft oder wasser genetzt unnd obergelegt / laßt die Brüst und andere glider nit grösser oder hiziger werden ... aber solche arznei gehört inn die beschlossene Klöster zu den keuschen leuten." Noch heute findet man in der Nähe von Klöstern verwilderten Schierling, der damals in den Gärten angebaut wurde. Schierlingssaft wurde früher auch als lokales Narkosemittel verwendet, und er war Bestandteil der Hexensalben, die auf die Haut aufgetragen, das real erlebte Gefühl erzeugten, durch die Luft zu fliegen.

 

Singvögel fressen die Samen des Schierlings ohne Schäden.

 

Vergiftungserscheinungen: Brennen im Mund, Lähmung der Zunge, Erbrechen, danach aufsteigende Lähmung, Kälte und Gefühllosigkeit, zuletzt Tod durch Atemlähmung meist bei vollem Bewusstsein, da Herz- und Hirntätigkeit bis zum Schluss erhalten bleiben. Verwirrung und Erregung treten kaum auf.

Tiere vermeiden das Fressen von Schierling im frischen Zustand, allerdings können sie es in der Silage nicht heraussuchen. Vergiftungserscheinungen hat das Veterinärmedizinische Institut Zürich sehr gut beschrieben. Man beachte die Knochenmissbildungen beim Nachwuchs von Schweinen und Rindern, die während der Schwangerschaft Schierling gefressen haben.

Beim Trocknen wird die Giftigkeit von Schierling reduziert und je länger die Pflanze trocken ist, desto weniger giftig ist sie. Singvögel fressen die Samen des Schierlings ohne Schäden.

 

Im Altertum wurde der Schierling zur Vollstreckung von Todesurteilen (man erinnere sich an den Schierlingsbecher von Sokrates), aber auch mit Opium vermischt, als staatlich abgegebenes Selbstmordgift verwendet. Durch Lähmung der Atemmuskulatur tritt der Tod bei vollem Bewußtsein ein.

 

Altbekannt ist, daß die Griechen ihre politischen Verbrecher durch den Schierling töteten, daher bezeichnete Plinius ihn als "publica Atheniensium poena invisa" (als Staatsstrafe den Athenern verhaßt). Auch Sokrates soll nach allgemein verbreiteter Ansicht durch den Schierling vergiftet worden sein, jedoch bestreiten die neueren Historiker dieses, da weder Plato noch Xenophon, sondern erst spätere Schriftsteller den Schierling als das Sokrates gereichte tödliche Gift nennen. Andererseits gibt aber Plato im "Phaedon" eine Schilderung der Todesstunden von Sokrates, die genau mit den Vergiftungssymptomen von Conium maculatum übereinstimmt:

 

"Sokrates trank das Gift ganz bereitwillig und heiter und ging herum, bis seine Beine anfingen zu versagen, dann legte er sich auf den Rücken, und der Mann, welcher ihm das Gift reichte, sah hie und da nach seinen Füßen und Beinen; nach einer Weile drückte er fest auf seinen Fuß und fragte ihn, ob er etwas fühlen könne; und er sagte nein; und dann sein Bein und so weiter aufwärts, und zeigte uns, daß es steif und kalt war. Und Sokrates befühlte dieselben selbst und sagte: 'Wenn das Gift das Herz erreicht, wird es das Ende sein.' Er fing um die Lenden herum an kalt zu werden und sagte, als er sein Gesicht entblößte, denn er hatte es bedeckt - dies waren seine letzten Worte: 'Crito, ich bin Asklepias einen Hahn schuldig, willst du daran denken und die Schuld bezahlen?' 'Die Schuld soll bezahlt werden", sagte Crito, 'gibt es sonst noch etwas?' Er gab keine Antwort auf diese Frage; aber in ein oder zwei Minuten wurde eine Bewegung gehört und die Beistehenden entblößten ihn; sein Auge war gebrochen, und Crito schloß seine Augen und seinen Mund."